Afrikanische Wirtschaft II: Der Krumme Hund
- brigittekoehnlein1
- vor 20 Stunden
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Eine lebendige Kunstszene soll es geben in Dar es Salaam, aber wir haben sie noch nicht gefunden. Ersatzweise machten wir neulich einen Ausflug zum Markt der Holzschnitzer, von dem wir im Reiseführer gelesen hatten. Das klang zwar eher touristisch, aber immerhin konnten wir auf schöne Masken hoffen, vielleicht auch auf ein paar ansprechende Gebrauchsgegenstände zwischen viel Dekokitsch?
Am Ziel des recht langes Weges mit dem Tuktuk erwartet uns ein recht großes Geviert vom Buden – und gleich springt ins Auge, was es hier nicht gibt, nämlich Holzgeschnitztes. Stattdessen ist es wieder so wie auf vielen anderen Märkten für sogenanntes Kunsthandwerk überall in Afrika: Zahlreiche Anbieter, die praktisch alle genau dasselbe anbieten. Gesamtafrikanischen, global erhältlichen Einheits-Krimskrams aus irgendeiner Massenproduktion. Bunte Teller, Schlüsselanhänger mit kleinen Tieren, Autos aus Weißblechdosen. Dazu noch völlig stereotype Bilder mit immergleichen Motiven: Stilisierte Elefanten im Abendlicht, ein Savannenbaum mit untergehender Sonne, drei Massais mit Schild und Schwertern – mit etwas Glück finden man das inzwischen auch schon preiswert in den letzten Kaufhof-Filialen.
Und wieder sind die vielen Anbieter des austauschbaren Sortiments klar in der Mehrheit gegenüber den vereinzelten Kunden – nicht zum ersten Mal sind wir heute sogar die einzigen überhaupt, die nun alle gleichzeitig in ihre Stände zu locken versuchen. Die meisten rufen pausenlos „Gutentag“, „Willkommen“ oder auch nur „Jajajaa“ – offenbar sind es meist Deutsche, die sich hierher verirren. Auf- oder zudringlich wird bei aller Aufregung niemand, aber etwas anstrengend ist diese Art von Spießrutenlauf auf die Dauer doch. Was bleibt uns also anderes übrig, als uns vor all den anderen in eine beliebige Bude zu flüchten, wo wir von mindestens drei Leuten eingehend betreut und beraten werden. Irgendwas müssen wir jetzt natürlich auch kaufen, nach ordnungsgemäßem Verhandlungsprozess und zu einem Preis, der uns nicht schmerzt, aber der sich unter den gegebenen Wettbewerbsbedingungen gewiss auch noch weit nach unten drücken ließe.
Dennoch ist das Erlebnis insgesamt eher traurig und sinnlos, ungern enttäusche ich so viele andere Händler, die den „support“ genauso nötig hätten, da ihnen heute wahrscheinlich auch sonst keiner mehr irgend etwas abkaufen wird. Warum das nicht anders zu gehen scheint, obwohl es doch in Afrika soviel Ungewöhnliches gibt, einfach Selbstgemachtes, Farbefrohes, Schönes – ich weiß es nicht. Kommt einfach niemand auf die Idee, etwas Eigenes und Anderes anzubieten? Denkt ein jeder, Touristen wollten einfach nichts anderes als das fade Zeug – und stimmt das im Ganzen vielleicht sogar? Oder steckt eine große Tinnef-Mafia dahinter, die an der Einheitsware am Ende doch noch irgendwie verdient und nicht zulässt, dass jemand etwas anderes verkauft als das von ihnen en gros vertriebene Gerümpel?
Wir wollen heim – und ein paar Schritte vor dem Ausgang der Anlage wendet sich die Geschichte doch noch zum happy end. Im vorletzten Laden, besonders winzig und schlecht einsehbar, hockt ein hölzerner Hund und schaut uns angemessen melancholisch an. Als handgeschnitzes Unikat ist er sofort zu erkennen, nicht nur an der etwas groben Machart: es stimmen auch die Proportionen nicht so ganz und der rechte Hinterlauf ist ganz misslungen. Aber er hat Ausdruck und Aura genug, um solche technischen Details ganz locker zu überspielen. Auf 45.000 Schilling können wir uns mit dem netten Verkäufer (dass er auch der Hersteller ist, glauben wir ihm gern) ohne Mühe verständigen: eine win-win Transaktion, die beide Seiten glücklich macht.
In unserer seelenlos möblierten Wohnung wacht nun dort, wo zuvor der ungenutzte Fernseher stand, der krumme Hund. Und wir werden weiter diese blöden Märkte besuchen in der Hoffnung, dass sich irgendwo doch noch mehr solcher eigenwilligen Waren und Wesen verborgen halten. HW
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